Freitag, 1. Juli 2016

Gedenken an Gefallene

In Randartikeln und Politikerreden vermerkt, nachdem 2014 das "große Gedenken" angekündigt worden war, ist der 1. Weltkrieg ziemlich genau 100 Jahre her. 2016, mitten drin in diesem Krieg aus Trommelfeuer, Schützengräben und unglaublichen Verlusten an Menschenleben, fanden u.a. die Schlachten um Verdun und an der Somme statt. Letztere war vor allem für die englischen Truppen wohl mit eine, wenn nicht die verlustreichste Schlacht. Sie begann vor genau 100 Jahren, am 1. Juli und zog sich bis in den November. Innerhalb der ersten halben Stunde, so schätzt man, starben bis zu 10 000 Briten durch das Abwehrfeuer der deutschen Truppen oder an ihren Verletzungen.
Völlige Fehleinschätzung, mangelnde Aufklärung und starres, für diesen Krieg typisches Festhalten an Vorgehensweisen durch die Stabsoffiziere waren die Ursache.

Unser Gedenken spielt sich entweder wenig beachtet in Nachrichtenmeldungen, Zeitungsartikeln auf den hinteren Seiten und vielleicht der ein oder anderen Doku im Fernsehn ab. Die Krieger- und Soldatenmäler in den Städten umweht nicht nur der Hauch der Geschichte nach der Weimarer Republik sondern auch es ruhen auch die aufmerksamen Augen derer, die sich als "Schutzwall" vor den Rechten fühlen darauf.
In Frankreich fanden unterdessen zahlreiche Veranstaltungen statt. Was sich in Verdun abspielte bzw. abspielen sollte, empfanden viele als geschmacklos und geschichtsvergessen. Der Regisseur Volker Schlöndorf, von Frankreichs Präsidenten Hollande engagiert, hatte bereits im Vorfeld klar gemacht, was er mit der Veranstaltung, der Gedenkfeier vorhatte.
Auf dem Friedhof, wo die Überreste hunderttausender junger Männer, Soldaten, liegen, die ihr Leben im Glauben für ihr Vaterland zu kämpfen verloren, ging der Künstler "neue Wege".

Einen Teil der Gedenkfeier mit fast 4000 Jugendlichen hatte der deutsche Regisseur Volker Schlöndorff vorbereitet. "Das Wichtigste ist eigentlich, dass man die Zeremonie Politikern und Militärs wegnimmt und den Jugendlichen gibt", sagte er der Deutschen Presse-Agentur. "Es geht nicht um irgendwelche Flammen, die wieder angezündet werden. Es geht auch nicht um die Nationalhymnen, die zum x-ten Mal abgespielt werden, sondern es geht um die 15 Minuten, wo wirklich die Jugendlichen diesen Friedhofsplatz überströmen."

 Das sah dann so aus:


Dann "stolzierte" noch ein "Tod" auf Stelzen umher und zeigte im wahrsten Sinne des Wortes "den Tod" an.
In meinen Augen auf einem Massenfriedhof nicht nur ein zutiefst unwürdiges Spektakel sondern eine Respektlosigkeit gegenüber den Toten und mittlerweile Verstorbenen, die nicht nur grausamer und für sie am Ende tödlicher Disziplin unterworfen waren, sondern deren Leiden so nicht verstanden, vielmehr verharmlost wird.
Was das Erlebte sogar mit denen machte, die das Gemetzel überlebten, kann in medizinischen Dokumentationen und einigen wenigen Filmaufnahmen zumindest teilweise gesehen werden. "Shellschock" wurde das Phänomen genannt, lange bevor es PTBS u.ä. Bezeichnungen für die Traumata des Krieges gab, und in der Ausprägung traten sie seit 1918 nur noch sehr selten auf.

 Unter Soldaten, gerade unter solchen, die selbst an Kämpfen oder Krieg teilgenommen haben, aber auch unter jenen, die sich der Kameradschaft über Tod und Ländergrenzen hinaus verpflichtet fühlen, stößt solches Verhalten, solche Denkweisen auf völligs Unverständnis, Frust und Wut.
Statt der Gefallenen, insgesamt wie individuell zu Gedenken, wird hier ein Spektakel daraus gemacht, dass der eigenen Gefälligkeit dient, dem eigenen Überlegenheitsdenken. Kein Verständnis für das Denken der Zeit, für die Menschen oder das Soldatische wird so erzeugt. Keine Annäherung, kein Geschichtsverständnis.
Da halfen die kleinen, privaten Aktionen wohl bedeutend mehr. So kamen viele "Reenactor" zusammen. Menschen, die sich mit teilweise unendlich viel Aufwand bemühen, Ausrüstung und Bekleidung der Zeit nachzustellen und einen Eindruck zu vermitteln, wie es wohl aussah.
Von einem Freund, der bei deren Trauerzeremonien dabei war erfuhr ich, dass die französischen Reenactor ihre deutschen Pedants baten, Erde mitzubringen, die sie dann über den Gräbern der Gefallenen in einer mit dem zeitgemäßen zeremoniell ausschütteten. Für viele von uns heute nicht begreiflich dürfte denen, die mit sich mit Heimat und Vaterland noch durchaus verbunden fühlten solch ein Akt wesentlich mehr bedeutet haben, als raufende Jugendliche auf ihrem Grab.
Für die Franzosen und Deutsche, die daran teilnahmen ein berührender, verbindender Moment, der sie menschlich einander näher brachte. Ebenso die Wärme beim Anmarsch. Darsteller in den Uniformen aller beteiligten Nationen marschieren durch die Dörfer der Umgebung - und werden begeistert begrüßt - egal ob in blau, braun oder feldgrau.
Reenactor demonstrieren Völkerverständig. Quelle: volksbund.de
Auch der Ärger über das Verbot deutscher Regimentsfahnen durch deutsche Offizielle eint die Darsteller. 

Wer "Völkerverständigung" aus diesem Gedanken will, der findet es eher hier, als in inszenierten Theaterstücken auf Gräbern.

Und das ist die wesentliche Frage: geht es um sie, die Menschen von einst, die Opfer des Krieges, oder geht es um uns, wie wir unser Leben gestalten, die Zukunft möchten und die Vergangenheit interpretieren (wollen)?

Die Antwort findet sich in den Plattitüden der Politiker, die eben doch stattfanden. Merkel betont, was wir lernen müssen aus der Geschichte, obwohl gerade sie und ihre Generation Politiker massives Unwissen demonstrieren und unter ihrer Regierung die Geschichte als Forschung und Lehre in Deutschland massiv eingedampft wurde.
Hollande sagte schon vorher in einer Radioansprache:
Heute müssen wir Worte und Taten vorhalten, damit die deutsch-französische Freundschaft ihren Nutzen für Europa und die Welt entfaltet.
Nutzen. Effektivität. Heute.
Die dort liegen - was mögen sie davon halten?

Das Gedenken der Engländer an ihre jungen Männer sieht dagegen handfester aus. Landesweit waren Darsteller, Schauspieler und Reenactor, in Uniform unterwegs. Sie sprachen nicht mit den Leuten, sie überreichten nur Stumm Karten. Karten mit den Namen und Einheiten derjenigen, für die sie stellvertretend an diesem Tag dort als stumme Erinnerung standen. Als Erinnerung für deren Tod.
 So berührt man Herzen, so erinnert man, so gedenkt man. 
Statt in Sportkleidung auf den Gräbern zu trampeln um eine Verbindung herzustellen fährt die Erinnerung und Auseinandersetzung in Uniform mit der "Tube", der U Bahn.
Was man verliert bemerkt man oft erst, wenn es weg ist - mitunter aber auch erst, wenn es sich doch noch ein Mal kurz zeigt. Das die Gräber gefüllt sind mit Menschen, mit jungen Männern mit Träumen und Hoffnungen, mit geliebten Menschen...





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