Freitag, 24. Juni 2016

Suizid durch Polizei

Ein Begriff, den anglophile bereits kennen lautet "suzicide by cop", Selbstmord durch einen Polizisten. Gemeint ist damit ein Verhalten einer Person, welche einen Polizisten zwingt, auf ihn zu schießen. Meist geht es dabei um Waffen, Sprengstoff oder die Gefährdung anderer - oft lediglich nach Anschein und ohne die Chance die genaue Lage zu klären. Den Polizisten ist in diesen Fällen i.d.R. kein Vorwurf zu machen.
Genau dies passierte nun in Viernheim. Ein junger Mann verschafft sich für das Auge bewaffnet zutritt in einen Kinosaal und gibt mehrere Schüsse in die Luft ab. Die Menschen geraten in Panik, die durch den Alarm herbeigerufene Polizei erschiesst den Mann. Es stellt sich später heraus, dass seine Waffen lediglich Schreckschusswaffen waren, also täuschend echt aussehende Geräte, die aber lediglich Schussgeräusche, ggf. noch Lichtblitze sowie Pfeffergase abgeben. Lediglich ab dem Kaliber 9 mm P.A.K. kann eine solche Waffe, wenn sie aufgesetzt wird oder sehr, sehr nah gehalten wird ernste Verletzungen verursachen - Schock oder Schädelfrakturen können dabei auch tödlich sein.
Zudem trug der junge Mann eine funktionsunfähige und ungefährliche Nachbildung einer Stabhandgranate bei sich.
Rein sachlich waren die Besucher also in keiner größeren Gefahr, als bei einem ähnlichem Übergriff mit einem Messer. Aber es sah erstmal danach aus.
Die Absicht des jungen Mannes scheint es gewesen zu sein, erschossen zu werden. Die stürmende Polizei konnte nicht wissen und auch nicht in der Situation klären, ob der Mann wirklich bewaffnet war oder eben nur Anscheinswaffen führte. Sie musste von einer Gefahr für die Geiseln und für sich selbst ausgehen.
Die Katastrophe wäre lediglich vermeidbar gewesen, wenn man dem Mann vor Beginn seines Verbrechens, der Freiheitsberaubung mit Waffengewalt, geholfen hätte bei dem, was auch immer ihn plagte. Einweisung in eine Klinik, klärende Gespräche, medizinische Behandlung oder schlicht ein paar Unterweisungen wie man mit den Rückschlägen des Lebens zurecht kommt.
Anders als von der FAZ im zweiten Artikel behauptet, ist die Geiselnahme ohne Schädigung und Erpressung nicht tyisch für "ähnliche Amokläufe in Schulen in den USA". Im Gegenteil. Die "shootings" oder Amokläufe, wie wir sie auch in Erfurt und Winnende erleben mussten, geschehen eben ohne Forderung. Die Ermordung bestimmter Menschen oder Mitgliedern von Gruppen ist dann das Ziel. Die eigene Tötung durch Polizeikräfte wird dabei i.d.R. nicht in Kauf genommen. Die Täter töten sich meist selbst (Columbine High School, Umpqua College, Virginia Tech usw. usf.
Die Täter richten sich dabei meist selbst nach der "Vollendung" ihrer Ziele oder nachdem sie keine Chance auf ein entkommen mehr haben, sei es durch die Einkesselung oder eine Verwundung.
Die Einkesselung führt aber i.d.R. nicht zum "in Kauf nehmen, von Polizisten erschossen zu werden" sondern entweder zur Aufgabe oder zum Kampf mit dem Versuch, am Leben zu bleiben. Anders als bspw. im Film "Falling Down" mit Michael Douglas oder eben jetzt in Viernheim richten die Täter von Amokläufen keine ungefährlichen Nachbildungen auf Polizisten und zwingen sie so zu schießen.
Entweder versuchen sie, die Polizisten selbst zu erschießen oder ihr Leben durch den Kampf so lange als möglich zu verlängern.
Für manchen Leser mag das kleinlich wirken. Tatsache aber ist, dass unsachliche Verknüpfungen und Falschbehauptungen Zusammenhänge vorgetäuscht werden, die es nicht gibt. Die Meinungen der Menschen lassen sich so durchaus in gewünschte Bahnen bewegen.
Der Täter von Viernheim ist kein Amokläufer. Er schädigte keine Geisel bewusst - auch wenn die Menschen (Geiseln wie Beamte) ein Trauma und einen Schock davon tragen werden, was dem Täter wohl egal war. Ebenso wie das Risiko für die Unschuldigen beim Zugriff verletzt zu werden.
Mit seinen Waffen aber verletzte er niemand. Konnte es auch nicht ohne weiteres. Trotzdem wollte er schwer bewaffnet wirken. Mit der Handgranate vielleicht sogar als Terrorist.
Welches andere Ziel kann also vorgelegen haben, als sich töten zu lassen. Dies zu vergleichen mit den Amokläufern der jüngsten Vergangenheit, deren Tätern es um den Tod anderer ging, ist mehr als fragwürdig.
Es springen noch immer viele Leute vor Autos, von Brücken oder vor Züge, um ihr Leben zu beenden, und riskieren dabei mindestens ebenso Leben und Gesundheit unbeteiligter. Nur, weil der junge Mann die Polizei zu seinem Mittel machte und dabei Nachbildungen von Schusswaffen trug wird eine Verbindun gezogen, die es nicht gibt.

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