Samstag, 13. Februar 2016

Spaß mit Schusswaffen - echt jetzt?

Viele Menschen glauben, was sie sehen. Und auch, wenn kaum jemand es zugeben will, sie glauben mindestens an einige Dinge, die ihnen Hollywoodstreifen oder besser Kinofilme zeigen. Dazu gehört vor allem der Umgang mit Schusswaffen. Dies kann man u.a. an Fragen erkennen, die im Zusammenhang mit Schusswaffengebrauch in der realen Welt aufkommen. Wird bspw. ein Verbrecher während seiner Tat von einem Polizisten erschossen, kommt nicht selten die Frage auf: wieso haben sie ihm nicht einfach ins Bein geschossen?
Wer sich gerne Actionfilme ansieht, der bekommt Dinge zu sehen, die weit über unglaubliche Mengen an Munition in der Waffe hinausgehen. Zielen wird kaum geschätzt, auch auf große Distanzen. Schnelle Schussabgaben, im vollen Laufen, rutschen oder springen wird geschossen und getroffen. Ob mit einer Hand oder zwei spielt ebensowenig eine Rolle, wie das Kaliber - wenigstens die Helden treffen immer und die Bösen nur wenn es zum Plot passt.
Diese und viele weitere Dinge fallen einem Menschen, der nie etwas mit Schusswaffen zu tun hatte natürlich nicht auf. Er sieht nur, wie spielend leicht alles geht und natürlich ereignen sich in Filmen Unfälle nur dann, wenn sie zum Plot gehören - also so gut wie nie.
Was man auf den großen Leinwänden und in den Unterhalungssammlungen der privaten Sammlungen nie sieht, sind Menschen die aus Spaß schießen - aber weder auf Menschen noch ohne festes Regelwerk.
Hier in Deutschland können sich darum unter "Sportschützen" nur sehr Wenige etwas vorstellen, das sie auch als Sport anerkennen - sogar unter den Sportschützen selbst herrscht mitunter ein gewisses Klima der Ablehnung.
Schusswaffen, so eine verbreitete Meinung sind zum Töten geschaffen und zu nichts anderem gut. Bei Jägern werden sie daher noch akzeptiert, aber "wer findet denn Spaß daran, mit einer Waffe auf irgendein künstliches Ziel zu schießen? Der übt dann doch bloß das Töten."
Nur gilt diese Logik dann auch für viele andere Sportarten? Speer und Bogen bspw. werden heutzutage nicht als Bedrohung wahrgenommen. Ihre Entwicklung diente aber Jagd und Kampf - und über Jahrtausende waren beide Waffen in genau diesem Einsatz. Heute ist der Speer neben dem Diskos und Ball eine rein sportliche Angelegenheit, die auch nur von wenigen Menschen als Bedrohung wahrgenommen wird. Dabei sind hier Unfälle nun auch nicht so selten, dass man ewig nach Opfer suchen müsste. Erst im September letzten Jahres kam es in Gütersloh zu eben einem solchen. Unfälle mit dem Diskos waren in der Vergangenheit regelrecht legendär und zogen in die Mythenwelt ein. Wer sich bspw. gefragt hat, woher der Krokus oder die Hyazinthe ihre Namen haben, der findet die Antwort in der griechischen Mythologie, in der Götter bei Wettbewerben ihre Sportgeräte unglücklich warfen und die jungen Männer töteten. Zugegeben, nach solchen Fällen sucht man heute dann doch länger. Den einzigen Fall, den ich auf die Schnelle fand stammt aus dem Jahr 1997.

Letztlich ist der Hintergrund aber der Gleiche. Wird jemand, der sich sportlich mit dem Bogen auseinander setzt gleich zum "Spinner"? Ich kenne Bogenschützen, die haben mehr als sechs verschiedene Bögen im Schrank. Mindestens einer hat mehr als 20. Werden diese zu Waffennarren? Der Bogen ist, laut Definition, eine Waffe.
Aus eigener Erfahrung kann ich berichten, dass die gleiche Erklärung mit unterschiedlichem Verständnis quittiert wird. Verständiges Kopfnicken auf die Erläuterung, dass es im Bogensport verschiedene Disziplinen gibt und in diesen Diszplinen unterschiedliche Bedingungen wie Distanzen aufgestellt sein können. Und das jedes Sportgerät einmal beschädigt werden kann, und dann schneller, gewohnter Ersatz dem Sportler hilft. Gerade bei Turnieren.

Kritische Blicke bei gleichlautenden Sätzen zu Schusswaffen. Wer erklärt, dass er eine Schusswaffe hat, um am Breitensport teil zu nehmen - also aus Spaß schießt, wie es die Mehrheit der Sportschützen nunmal unternimmt, der bekommt bereits seltsame Seitenblicke. Wer dann auch noch sagt, er hat mehrere Schusswaffen, der wird i.d.R. sofort mit einem Blick bedacht, der nur eines aussagt: oha, ein Verrückter.
Und wer glaubt, dies gelte nur für Menschen ohne jede Ahnung und Erfahrung in diesem Bereich, der irrt. Selbst Schützen, die Luftgewehr und Einzellader-Disziplinen* schießen, reagieren z.T. so.
Ein Dachverband, der neben den Disziplinen, bei denen die Schützen auf der festgelegten Distanz stehen und i.d.R. nie näher oder weiter weg schießen müssen auch sog. dynamische Disziplinen anbietet ist der BDS, der mittlerweile am schnellsten wachsende Dachverband. Dynamische Disziplinen sind bspw. das (oer besser der) IPSC, bei dem sich die Schützen zwischen aufgestellten Trennwänden bewegen, um Papp- und Stahlziele zu beschießen. Ihre Zeit zusammen mit ihrem Trefferergebnis wird am Ende durch eine Rechnung geschickt, bei dem das Beste dann zur Berechnung der Punkte aller anderen genutzt wird.
Klingt kompliziert, ist es auch. Aber es macht wahnsinnig viel Spaß und ist auf verschiedene Arten herausfordernd.
Hier mal ein Beispiel. (Zur Erläuterung, die Leute, die den Schützen hinterherlaufen sind eine Art Schiedrichter, denen es erstmal egal ist, ob der Schütze gut oder schlecht abschneidet, aber bei Sicherheitsverstößen sofort eingreifen. Außerdem geben sie mit Kommandos das Zeichen zur Vorbereitung, erst dann darf geladen werden, und zum Beginnen.)

Leider sehen selbst viele Schützen diesen Sport aus der oben geschilderten Perspektive. Das hierbei vieles völlig anders abläuft, als bspw. beim Verteidigungsschießen (welches man als Privatperson in Deutschland nicht kennen lernen kann) ist für Kritiker kein Grund, den sportlichen Aspekt anzuerkennen.

Hierzulande noch in den Kinderschuhen, in den USA sogar ein Publikumsmagnet sind sogenannte "Multipe-Gun-Contests", also Wettbewerbe, bei denen mit mehreren, verschiedenen Waffen geschossen werden muss. Meist sind dies Pistole, Schrotflinte und eine halbautomatische Langwaffe, wobei der Name dementsprechend auf die Zahl der Waffentypen bezogen wird (in meinem Beispiel also ein 3 gun contest". Das diese in Deutschland noch nicht so richtig tritt gefasst haben, liegt an besagter Einstellung als auch an den Auflagen an Schützen und Organisatoren.
Das folgende Video zeigt einen Unteroffizier des US Army Teams. Achtung, die Lautstärke wie die musikalische Untermalung kann für Manchen unangenehm sein.  Viel von dem dort gezeigten ist in Deutschland undenkbar oder schwer vorstellbar - die Sicherheitsregeln sind bei uns deutlich strenger bzw. bestimmte Elemente gelten als "zu militärisch".
Wie gesagt, bei uns noch sehr selten.
Wer glaubt, solche Sportarten seien nur was für Männer oder würden nur von diesen betrieben, der irrt. Im Gegenteil, einige hervorragende Schützen sind weiblich. Katelyn Francis war 13 Jahre bei diesem Turnier. (Unfairer Weise ist ihr Vater langjähriger Waffenausbilder, u.a. bei Spezialeinheiten gewesen und trainiert sie bis heute...)

Es sind genau diese Sportarten und ihre Ausübenden, die als Gegenbeweis zur These, dass (mehr) Waffen auch gleich mehr Gewalt, Kriminalität und Unfälle bedeuten. Bislang ist kein IPSC Schütze als Massenmörder aufgetaucht - obwohl doch das Training auf sehr schnelles, gezieltes Schießen angeblich genau das fördern würde. Auch unter den Mördern ist m.W. bislang kein solcher Sportschütze aufgetaucht - aber hier mag ich mich irren, immerhin werden nicht von jedem Mörder die Hobbies angegeben. Was aber mehr als eine Studie in Deutschland wie in den USA belegte: Sportschützen tauchen in den Kriminalstatisitiken insgesamt bedeutend seltener auf, als Otto Normalbürger.  Das soll nicht heißen, dass hier "bessere Menschen" am Werk sind - vielmehr gibt es verschiedene Gründe dafür. Nicht zuletzt die verschärften Auflagen, die auch bei Kleinigkeiten einen sofortigen Rauswurf aus dem Verband oder bei uns den Entzug der Glaubwürdigkeit und somit der Berechtigung zum Schusswaffenbesitz bedeuten.


Es müssen aber eben nicht immer moderne Waffen sein, die da eingesetzt werden, um Sport und Spaß auszuüben.. Auch Repliken von alten Waffen können für solche Events benutzt werden. Bei Dachverbänden wie dem DSB geschieht dies bspw. statisch unter Ordonnanzgewehr. Allerdings wiederum nur statisch, dass heisst, an der vorgegebenen Position auf besagte 100 m. Das ist sportlich ziemlich herausfordernd, aber weder für Publikum noch die Schützen selbst sehr unterhaltsam.
Wiederum in den USA darf man aber auch hieran Spaß haben. Im Gegensatz zum verbreiteten Glauben, nicht ohne Sicherheitsregeln und nicht wild um sich schießend, aber doch mit einer großen Menge an Freiheiten mehr. Das fängt beim Erwerb an. Diese Waffen, welche man i.d.R. nach jedem Schuss per Hand in die Lage versetzen muss, den nächsten Schuss abzugeben (im Video gleich gut zu erkennen, wie das zu verstehen ist) eignen sich nicht für Verbrechen und tauchen dabei dementsprechend selten auf - seltener als bspw. Küchenmesser. Trotzdem fallen auch sie unter die strengen Waffengesetze in Deutschland. Wer weiß, wie viel Mühe und Geld hinter der Beantragung der Erlaubnis, dem einrichten der ordnungsgemäßen Schränke und schließlich dem Kauf und der Erhaltung dieser Geräte steckt, der ahnt, dass nur sehr wenige Menschen solchen sportiven Spaß neben ihren üblichen Disziplinen ausüben. Ich bspw. würde sehr gerne solche alten Karabiner hin und wieder zum Spaß nutzen, habe aber weder Zeit noch Lust, auch hier regelmäßiges Training und Turniere zu besuchen. Damit bleibt mir der Weg versperrt. Obwohl mir mit viel Aufwand Staat bzw. Polizei attestieren, bislang ein absolut untadeliger Bürger ohne bedenkliche Tendenzen zu sein und mir bereits erlaubt hat, in anderen Disziplinen Schusswaffen zu erwerben.

Der Wettkampf beginnt bei Minute vier, davor wird erklärt und gefrotzelt.


Auch Western- und Vorderladerschießen ist unterhaltsame Sportarten mit alten, meist nachgebauten Waffen. Also mit Waffen, die umständlich und / oder oft von vorne geladen werden müssen.
Westernschießen (im BDS - Pflicht ist historisch angelehnte Kleidung, darum wohl die "Kilts")

Vorderladerschießen


Manch einer wird nicht verstehen oder abstreiten, dass so etwas unter Spaß läuft oder schlicht "aber brauchen tut man das nicht" denken. Das gleiche gilt allerdings für fast jedes Hobby aus der Sicht solcher, die andere Interessen oder Geschmäcker haben. Angefangen bei unterschiedlichen Musikrichtungen bis hin zu den verschiedensten Sportarten.
Ich kann mit Fußball absolut nichts anfangen und angesichts von regelmäßigen Fanausschreitungen, Massenprügeleien und Verletzungen der Spieler zu denen noch die Kosten für massive Polizeieinsätze drauf kommen, welche die gesamte Gesellschaft trägt, ob sie Anteil nimmt, oder nicht.
(Nebenbei: eine Zeit lang hielt ich dem Fußball den neu erwachten Nationalstolz und das Gemeinschaftsgefühl aus dem Sommermärchen zugute, bis ich die ersten Fahnen am Strassenrand, im Rinnstein oder in Mülltonnen sah - mal abgesehen von der "Bundesrepublik BILD"...)
Man kann dies nun für sich selbst austesten. Brauche ich klassische Musik, Volleyball, Handball, Tischtennis, Autorennen in zehn verschiedenen Formeln, sollten Zivilisten den Pilotenschein machen, Flugshows verboten werden? Wieso in den Urlaub fliegen? Reichen die althergebrachten Reisemöglichkeiten nicht aus? Fliegen wurde ja von Beginn an vom Militär genutzt und Strahlentriebwerke stammen sogar von den Nazis...
Ja, die Beispiele sind übertrieben. Der Punkt ist: wer (viele Menschen) töten will, findet einen Weg. Er fliegt in seinem Job als Copilot gegen einen Berg, nimmt sich ein Küchenmessern, fährt in eine Menschenmenge, lässt Gas ausströmen, bastelt sich aus Dünger u.a. eine Autobombe, wirft Säure, blockiert Fluchtwege und legt dann Feuer, bastelt sich selbst einen Flammenwerfer und geht in eine Grundschule und und und. Alles bereits passiert. Auch Unfälle passieren in Sport und Alltag am laufenden Band. Tödliche wie verstümmelnde oder glimpfliche.
Gerade das Beispiel der Flugshows ist da zu nennen. Seit Ramstein gab es kaum größere Aufmerksamkeit mehr dazu, aber wer sich die Mühe macht findet allein im letzten Jahr drei tödliche Unfälle während Flugshows in Westeuropa (England, Italien, Schweiz). In England starben 10 Unbeteiligte in einem Stau nahe des Showgeländes, als die Maschine auf eine Hauptstrasse knallte. Ich habe mir nicht die Mühe gemacht, die Zahl der Flugshows im Jahr 2015 insgesamt herauszusuchen, aber ich gehe mal davon aus, dass es wohl kaum zehntausende sein werden - aber selten finden diese Shows auch wieder nicht statt.
Flugzeugenthusiasten werden vermutlich entsetzt über den Vergleich und empört über die Diskussion sein, aber den effektiven Unterschied würde ich dann gerne erfahren. Bei den Shows werden nicht selten Maschinen aus dem militärischen Sektor gezeigt - konzipiert zum Töten. Der Nutzen der Ultraleichtflugzeuge dürfte minimal sein - nur wenige Menschen haben das Geld und die Zeit und die Möglichkeit einen Pilotenschein zu machen, eine Maschine zu kaufen und auf einem kleinen Flugplatz unterzusellen - und wenig beruflichen oder privaten Anlaß zu fliegen oben drauf. Der Hintergrund dürfte weniger Zeitersparnis und Alltagsbedarf sein, als vielmehr Spaß und Freude. Die ich niemandem nehmen möchte, sondern schlicht beide Hobbies und ihr Ansehen nebeneinander stellen.

Das hier ein Hobby gesondert behandelt wird, liegt einzig und allein an der Sichtweise auf die dazu genutzt Geräte. Schusswaffen sind Waffen. Setzt man sie gezielt ein, sind sie tödlich. Das gilt auch für Autos, Flugzeuge, Speere, Chemikalien. Das Schusswaffen dann aber öfter mit dieser Absicht eingesetzt werden als die viel einfacher verfügbaren und ebenso effektiven Automobile liegt wohl eher in psychologischen Gründen und m.E. vor allem an besagten Ansichten der Gesellschaft. Würde dieser Teufelskreis aufgebrochen und Schusswaffen als das Begriffen, was sie sind, als Werkzeuge mit verschiedensten Einsatzmöglichkeiten (eben von Waffe bis Unterhaltungsmöglichkeit), würde sich dies vielleicht ebenfalls ändern.
Zum Schluss noch ein Video der Deutschen Meisterschaft, wie ein Präzisionswettkampf aussieht, nachdem ich die statischen Disziplinen so oft angesprochen habe:




Falls jemand sich das mal vor Ort ansehen will, sei es aus Interesse am Sport oder einfach nur um sich selbst ein Bild von Sport und Menschen zu machen, dem empfehle ich einfach mal verschiedene Vereine verschiedener Verbände anzuschreiben.
Nur mal ein paar der größeren Verbände:
DSB 
BDMP
BDS
BDHS
BSSB
DSDEV 
DSU

Meist finden sich auf der Seite der Verbände Liste von Regionalverbänden und / oder die jeweiligen Vereine vor Ort. Ich empfehle sich in jedem Fall mehrere Vereine anzusehen. Jeder ist anders, geprägt durch die Leute und die Geschichte. Manche erfüllen Klischees, dass man schreien möchte, andere sind nur durch die Sicherheitsvorschriften von anderen Sportvereinen zu unterscheiden. Mal sind die Zuständigen nett und hilfsbereit, mal abweisend und verschlossen und oft irgendwas dazwischen.
Es würde mich freuen, wenn ich mit diesem Beitrag den ein oder anderen dazu gebracht habe, seine Position zu überdenken und sich wenigstens mal Leute und Sport anzusehen, bevor die Meinung festgelegt wird.


*Einzellader sind Waffen, die nur einen einzigen Schuss fassen können, und bei denen nach jeder Schussabgabe von Hand eine neue Patrone zugeführt werden muss. Die Schussfreuqenz ist hier dementsprechend langsam. Außerhalb dieser Disziplinen sind solche Waffen praktisch seit dem Ende des 19. Jh. am aussterben.
Luftgewehr und -pistole verschießt kleine Bleigeschosse mit Druckluckt oder (mitunter zu finden) mit Federkraft. Hier entstehen keine Gase, die das Geschoss mit hoher Geschwindigkeit antreiben.

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