Samstag, 20. Februar 2016

Fall und Aufstieg und erneuter Fall Lech Walesas

Wer den Namen nicht kennt, ist entweder sehr jung oder hat in den Jahren des Wandels nicht aufgepasst. Lech Walesa war Arbeiterführer (in seiner Funktion als Vorsitzender der Solidarność, einer Gewerkschaft), Freiheitsheld und Präsident Polens. Er war einer, wenn nicht der Anführer einer Bewegung, welche den Griff des sowjetischen Kommunismus um Polen lockerte und der Nation begann wieder mehr Selbstvertrauen zu schenken.
Nun sind im Hause eines verstorbenen Generals Unterlagen gefunden worden, die dem Friedensnobelpreisträger Spitzeltätigkeit für den kommunistischen Geheimdienst unter dem Pseudonym "Bolek" zur Last legen. Die Unterlagen wollte die Witwe des Generals verkaufen - die Unterlagen wurden illegal entwedet und gehören eigentlich dem Staat, was eine Hausdurchsuchung und Beschlagnahmung zur Folge hatte.
Kurz zur Erinnung (oder als neue Informationen):
Walesa war maßgeblich an einem Streikt im Jahr 1970 an der Werft, an der er als Elektriker arbeitete beteiligt. Streiks waren kein Grundrecht in der Sowjetdiktatur, und so wurde hart dagegen vorgegangen (man erinnere sich an die Niederschlagung in Berlin 1953 mit etwa 70 Todesopfern, oder den Prager Frühling) . Am Ende waren 70 Arbeiter tot, viel mehr verletzt.
Die Rädelsführer wurden verhaftet und zu Haftstrafen verurteilt, darunter auch Walesa.
Es soll nach den neuen Unterlagen in diesem Jahr gewesen sein, dass Walesa als Spitzel angeheuert wurde.
Im Laufe der Jahre 1970 bis 1976 soll er mehrfach Kollegen und Freunde bespitzelt und verraten haben.
1978 hingegen gründete er mit Freunden eine illegale Gewerkschaft - wurde erwischt aber immer wieder frei gesprochen, in teils merkwürdigen Verfahren (für damalige Verhältnisse). 1980 dann sein Aufstieg als Vorsitzender der ersten anerkannten freien Gewerkschaft - die nur durch illegalen Generalstreikt zur Anerkennung gelangte. Der Name Solidarität passt in die damalige sozialistische Kultur, während die Gewerkschaft selbst als vom Staat unabhängige und ungewollt durchgesetzte Interessensvertretung der Arbeiter natürlich ein Dorn in Moskaus Auge war. So verwundert es nicht, dass Walesa u.a. Anführer im Alltag allerhand Schikanen zu ertragen hatten. Walesa selbst durfte zwar seit 1983 wieder arbeiten, stand aber bis 1984, anderen Quellen zufolge bis 1987 unter einem faktischen Hausarrest.
Wie man Walesas Rolle interpretiert, liegt stark vom Betrachter selbst ab. Fakt ist, er war Repressionen ausgesetzt und er hat sich gefährlich exponiert.
Die neuen Funde werfen also die Frage auf: wurde er gezwungen, war er ein agent provocateur des Staates, welcher die sich ihm bietende Gelegenheit von einem fallenden Ast abzuspringen nutzte oder sind die Anschuldigungen, wie er weiterhin beteuert falsch bzw. ein Missverständnis?

Geschadet hat ihm der Fund allemal, und sich auf einen Freund zu berufen und aufgrund der angeblichen Verpflichtung zu den "wahren Hintergründen" zu schweigen ist möglicherweise sehr loyal - wahrscheinlich aber eher ein kohlsches Selbstschutzmanöver.
Was allerdings unsere Medienwelt daraus macht und eine Verschwörung der aktuellen Regierung gegen den längst in der Vergangenheit untergetauchten Walesa zu erkennen ist mal wieder peinlich.

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