Mittwoch, 3. Juli 2013

Zeitalter der Toleranz?

Dieser Tage geisterten einige Meldungen durch die Medien. Inhaltlich ist die Toleranz stets im Zentrum. Der Mangel oder das Quantum zuviel.

Zuerst war da die Meldung, dass im tschechischen Budweis hunderte (!) Rechtsradikaler versuchten, eine Plattenbausiedlung zu stürmen und sich auf dem Weg dorthin mit der Polizei regelrechte Strassenschlachten lieferten.
Mich beunruhigt der Gedanke, dass direkt vor unserer Haustür wieder Großversammlungen von rasstistisch oder nationalistisch motivierten Gewalbereiten stattfinden sehr. Hier in Deutschland kommen zu den angekündigten Massendemonstrationen der Nazis mittlerweile nur noch lächerliche Grüppchen zusammen - was nicht heisst, das der Funke nicht überspringen kann.
Zulauf kann man nicht durch Gegendemos und gesellschaftlichen Druck (allein) verhindern, das weiß man aus der Geschichte nur zu gut. Letztlich ist das der Weg in die Konfrontation.
Menschlichkeit und Ehrlichkeit, Gespräche und die Behebung von negativen Umständen sind hier der Weg.

Zweitens ist da der Protest der Brasilianer. Diese müssen erdulden, wie sich ihr Land auf die kommende WM vorbereitet. Nun sind die Brasilianer durchaus für ihre Vernarrtheit in den Fußball bekannt, aber dafür Heim und Habe zu verlieren geht, bei dem wenigen das sie besitzen, zu weit.
Bislang ist mir nicht bekannt, dass sich hierzulande irgendjemand einsetzt, diese WM dann eben zu verlegen oder ausfallen zu lassen - geschweige denn zu boykottieren.

Und der alte, böse Geist des Antisemitismus leuchtet dieser Tage auch mal wieder auf. Zum einen durch eine Bildwahl und -unterschrift der Süddeutschen Zeitschrift, über die sich Henryk Broder in der "Welt" etwas zu weitschweifig aber im Kern treffend ärgert.
Etwas weiter in den Südosten: nachdem Erdogan die letzten Wochen seine demonstrierenden Landsleute beschimpfte und im Verfolgungswahn von "fremden Mächten" fabulierte die hinter den Demos steckten hat der Vize-MP Besir Atalay jetzt nachgelegt. Er verortet die "jüdische Daispora" auf der Seite der "Verschwörer" die aus Neid auf den Erfolg der Türkei sich zusammenschließen würden. Nicht unerwähnt sollte dabei bleiben, dass nach Atalay sich die "Groß-Türkei" auf ihrem Weg nicht aufhalten lassen würde.
Da wir wohl alle zu jung sind: das ist imperialistisches Vokabular, ein Fingerzeig auf gewünschte Expansion. Und da sich wohl weder Griechenland, Armenien, Mazedonien, Irak, Iran oder Syrien der Türkei anschließen wollen würde ich dies als Drohgebärde auffassen.

Währenddessen wird hier in Deutschland kurzerhand zur Selbstzensur gegriffen. Eine Studentin hatte ein Plakat, welches einen Teil des Comics "Habibi" (was aus dem arabischen kommend so viel heisst wie "mein Geliebter") von Craig Thompson zeigt, mit einem Messer "beschädigt" indem sie Teile davon, die ihre "religiösen Gefühle verletzten" weil sie Sex neben dem arabisch geschriebenen Namen "Allah" zeigten , heraustrennte. Das Plakat wurde dann aus der Ausstellung genommen. Gerechtfertigt wird dies durch den Hinweis, das es ohnehin nur noch ein paar Tage diese Ausstellung in der Unibibliothek Essen zu sehen gäbe. Erst aufgrund der sich mehrenden Medienaufmerksamkeit sieht sich die Uni nun genötigt, mit der Studentin zu sprechen...
So viel Toleranz... nur zur Erinnerung: als der Papst vom Magazin Titanic als inkontentinter alter Mann gezeigt wurde, der sich eingeschmutzt hatte (auf Cover und Rückseite...) wurde dessen Verfügung wegen Beleidigung einer Person nach (!) der Veröffentlichung von der Zeitschrift als "neue Inquisition" betitelt und die Rechtsmittel als Zensur dargestellt, das ganze zum Medienereignis hochgejubelt.
Die Studentin, die sich mehrfach bei der Bibliothek beschwerte und dann selbst zur Gewalt griff, weil die Präsenz eines arabischen Wortes während eines gezeichneten Aktes ihr als Blasphemie erschien wird dagegen "zum Gespräch" gebeten - erst als sich Druck aufbaute.
Donnerwetter, das ist mal gelebte Toleranz. Ich hege Zweifel, ob ebenso verfahren worden wäre, hätte jemand jene unsägliche Jesus-Karrikatur am Kasseler Kulturbahnhof während der Documenta heruntergerissen und zerstört. Aber Toleranz ist eben abhängig von dem, den man aushält.



Nachtrag: eben fiel mir noch der jüngste Artikel der ehemaligen Bundestagsabgeordneten Vera Lengsfeld ein, sowie der berührende Text von Kevin Zdiara.Auch hier geht es stets darum, über wen wird (nicht) berichtet aus falsch verstandener Toleranz.

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