Sonntag, 7. April 2013

Demokratische Ordnung

Es ist schon eine Weile her, aber im Schulunterricht lernte ich die Gewaltenteilung kennen. Bis heute halte ich die Unterscheidung der Legislativen und der Exekutiven aufgrund der Tatsache, dass Bundestag und Bundesrat im Grunde ja eine recht deutliche "Schnittmenge" besitzen, für problematisch. Was aber einfach zu erkennen bleibt ist der Unterschied der beiden zur Judikative. Die Rechtsprechende hat momentan keinen allzuguten Ruf. Nicht wenige Stimmen kritisieren sie als trägen, überbürokratischen und befangen urteilenden Staats- und Landesapparat.
Zur Ehrenrettung: jüngst urteilte in Düsseldorf ein Vertreter der Judiskative, dass, entgegen den Beteuerungen des Angeklagten und seiner Anwälte, ein Einstechen auf eine Arbeitsamtvermittlerin mit mitgebrachten großen Messern eindeutig ein beabsichtigter Mord war, dem das Opfer hilflos ausgeliefert war.
Ein anderer Prozess macht unterdessen Schlagzeilen, bevor er begonnen hat. Der NSU-Prozess bewegt Deutschland, auf jeden Fall aber seine Presse. Meist wird schlicht gemeldet: die türkischen Medien erhielten keinen Platz, darum herrsche, nach Ansicht der Berichtenden, verständliches Unmut. Dieser Unmut hat sich nach vielen Beschwerden nun in einer Klage der Zeitung Sabah verfestigt.
Nur wenige Medien schaffen es auch zu berichten, wie die Plätze überhaupt vergeben worden waren. Dazu gehört das ZDF Nachrichtenformat "heute". Dort heisst es:
Das Oberlandesgericht hatte die 50 Presseplätze nach der Reihenfolge der Bewerber vergeben. Dabei gingen viele internationalen und alle türkischen Medien leer aus.
Ich finde, dies ist es wert, auseinander genommen zu werden, um die Fakten einzeln zu beleuchten.

1. Es stehen 50 Presseplätze zu Verfügung.
2. Das Gericht hat diese Plätze nach der Anmeldung vergeben.
3. Viele internationale Medien haben keinen Platz erhalten.
4. Kein türkisches Medium hat einen Platz erhalten.

Das Verfahren: "wer zuerst kommt, malt zuerst" ist bei allen gängigen Präsentationen üblich und stellt, zumindest in meinen Augen, dass unbeinflußbarste Verfahren dar. Nun ist es mir ein Rätsel, warum die Türkei, die, wie alle derzeitigen Stimmen und die Logik sagen, aufgrund der Herkunft der meisten Opfer ein verständliches und brennendes Interesse an der Verhandlung haben, nicht sofort nachdem klar wurde, wo verhandelt wird sich einen Platz reservierten. Zum Hörer zu greifen und sich verbinden zu lassen ist kein Kraftakt, geschweige denn kompliziert.
So waren halt 50 andere Prozessbeobachter schneller. Bislang habe ich keine Angaben gefunden, welche internationalen Medien es geschafft haben, den Widrigkeiten der Zeit zum Trotz einen Platz zu ergattern.
An der Stelle könnte man nun sagen: so what? Der Prozess findet in der Republik Deutschland statt, einem Land welches sich für seinen Verbündeten Türkei ein Bein ausreisst, Millionen von dessen Bürgern aufgenommen und mit Arbeit, Bildung und einer Perspektive versorgt hat. Vor einem Gericht, dass durch 50 Prozessbeobachter dabei überwacht wird, was und wie es verhandelt. In einem Prozess, der eine fast unüberschaubare Zahl an Zeugen geladen hat und fast 60 Anwälte der Anklage sehen wird. Was soll schlimm daran sein, dass die Zeitungen eines Landes nicht live dabei sein werden?
Da die Türkei aber bei wenigstens zwei Wohnungsbränden mit Opfern türkischer Abstammung Deutschland sein Misstrauen ausgesprochen hat und eigene Ermittlungen zur Kontrolle der deutschen Ergebnisse veranlasste könnte man die Aufregung, die sich auch durch türkische Regierungskreise und -äußerungen zieht, als eindeutigen Ausdruck der Missachtung werten.
Statt dessen greifen aber Legislative, vor allem aber die Exekutive die Vertreter der Judikative heftig an. Heute war es der SPD-Politiker Gabriel, der dem Gericht vorwarf, borniert zu sein.
Was sich da abspielt ist eine Posse und die Verantwortlichen machen Deutschland in aller Welt zum Gespött. Was wäre bei uns los, wenn deutsche Medien in der Türkei von einem Prozess ausgeschlossen würden, bei dem islamistische Terroristen eine Killerserie gegen Deutsche verübt hätten?" Dem SPD-Chef zufolge kann es "doch nicht so schwer sein, noch drei Stühle in den Gerichtssaal zu stellen". Gabriel bot zugleich an, dass die SPD-Zeitung "Vorwärts", die einen Platz vom Gericht zugeteilt bekam, diesen abgeben würde.
 Nun könnte, nein sollte man die Ermordung von Tilman Geske erwähnen. Der Mitarbeiter eines Bibelverlages war in der Türkei 2007 von fünf Tätern zusammen mit zwei türkischen Konvertiten und Mitarbeitern überfallen, gefesselt, grausam und über längeren Zeitraum gefoltert und verstümmelt und schließlich getötetet worden Die Täter wurden am Tatort festgenommen. Bis heute gibt es keine Verurteilung aber eine ganze Reihe von zeitlicher Verschleppung, verschwundener Beweismittel und erst wenig Einbeziehung der Hintermänner. Unsere Medien tun sich hervor, indem sie immer mal wieder "Erfolgsmeldungen" bringen, wie etwa im April 2012 die ARD. Die längst überfälligen Beschwerden, dass, obwohl die geständigen Täter am Tatort überführt wurden, noch kein Urteil gefällt wurde und die Hintermänner durch Gericht und Regierung in ein Dämmerlicht getaucht werden, bleibt aus. Herr Gabriel aber hätte sich daran erinnern können, als er behauptete, das oben geschilderte Verfahren wäre eine Schande gerade in Bezug auf die türkische Justiz. (Diese verweigerte in letzter Zeit übrigens die Auslieferung diverser in Deutschland gesuchter Gewalttäter, wie etwa dem mutmaßlichen Mörder von Johnny K.)
Denn genau das geschieht dort: nationalistisch-islamistische Mörder werden nicht verurteilt, ihr Hintermänner nicht entlarvt und verurteilt.
Ein Skandalurteil ähnlicher Art erging vor einiger Zeit, als die Täter im Mordfall des armenischstämmigen Journalisten Dink als "Einzeltäter" verurteilt wurden, obwohl es eine Reihe von Beweisen gab, die auf ein Netzwerk bis in Staatsdienste hinwiesen.
Statt dessen bietet Gabriel etwas an, von dem das Gericht bereits vor Tagen sagte, es sei nicht gestattet: der Platztausch. (Damit signalisiert Gabriel nebenbei: unser Nachrichtenblatt ist völlig in der Hand der SPD Oberen - ein guter Grund von diesem Blatt also nicht mehr als Parteipropaganda zu erwarten.)

Dabei wäre alles einfach und ohne Aufhebens lösbar gewesen.
1. Diverse Korrespondeten arbeiten für Nachrichtenagenturen oder mehrere Zeitungen. Einen solchen Mitarbeiter zu finden und auch für die türkischen Medien berichten zu lassen sollte kein Problem sein.
2. Eine der kooperationswilligen Zeitungen hätte einen Mitarbeiter eines türkischen Mediums unter einen zeitlich begrenzten Vertrag nehmen und als Vertreter schicken können.
In beiden Fällen hätte man nichts als positive Signale gesandt.


 Erreicht haben die politischen Stimmen, dass ein Vertreter der türkischen Regierung dabei ist.
Man könnte also sagen: es ist ein politischer Prozess geworden.
Die Regierung und der Bundestag haben die Möglichkeit Gesetzesentwürfe einzubringen, wenn nach ihrer Ansicht Änderungsbedarf besteht. Druck auf Gerichte auszuüben, weil ihnen deren Vorstellung von Öffentlichkeitsarbeit missfällt ist doch eher ein Ausdruck einer anderen Staatsform...

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